Schöner kann Kajak fahren nicht sein.

Ich halte mein Paddel fest in der Hand, denn ich spüre die Wucht des Sturmes in meinem Rücken. Eine ausgeprägte Sturmlage über Mecklenburg-Vorpommern lässt mein Adrenalin hochschnellen. Es geht exakt von West nach Ost, schnurgerade von Canow nach Priepert.

Ich sitze fest auf einer Welle, die mich mit einem irrsinnigen Tempo vorwärts bringt. Es dauert bestimmt 15 Sekunden, bis sie mich loslässt. Im Heck meines Bootes spüre ich, dass schon die nächste Welle anrollt. Und diese spült mein Boot weiter, weiter gen Osten, nach Priepert.

Mein Paddel brauche ich jetzt ausschließlich um die Richtung zu halten, aber nicht mehr um vorwärts zu kommen. Das gelingt mir noch, wenn auch unter Einsatz aller meiner Kräfte. Und diese habe ich ja in den letzten 2 Monaten vermehrt bekommen, schließlich habe ich jetzt schon 1.300 Paddelkilometer hinter mir.

Eine Motorbootfahrerin ruft mir zu: „Du bist aber mutig“.

Ich schreie zurück: „Das ist einfach, solange die Richtung stimmt.“

Die nächste Welle kommt, jetzt aber nicht mehr exakt von hinten. Ich muss deshalb meine Richtung korrigieren, muss schauen, dass ich diese so anpasse, dass ich wieder auf der nächsten Welle sitzen bleibe.

Es ist nicht mehr weit bis Priepert. Für heute reicht es mir. Bei dem gewaltigen Sturm komme ich sowieso nicht mehr weiter. Denn ab Priepert geht es fast ausschließlich nordwärts. Und da werde ich kein windarmes Fleckchen an den Seen mehr finden, die ich bis Neustrelitz durchfahren möchte. Solche windarme Stellen brauche ich aber zuhauf. Sonst werde ich auf die Ostseite der Seen abgetrieben und dann hänge ich im Schilf fest, bis der Sturm nachgelassen hat. Das wird ja voraussichtlich bis Morgen dauern. Nichts für mich.

Ich steuere den Yachthafen Priepert an. Hafenmeister Detlef hilft mir beim Aussteigen. Ich stehe mit ihm auf dem Bootssteg. Dort haben jetzt reihenweise Motorboote festgemacht. Diese kommen auch nicht mehr weiter.

Ich rede mit Detlef und erzähle ihm kurz, dass ich auf der Donau mit meiner Paddeltour begonnen habe. Plötzlich springt Detlef zu Seite und fischt mein Paddel aus dem Wasser. Ein Windstoß hatte es urplötzlich vom Steg in das Wasser befördert.

Jetzt kontrolliere ich mein Boot samt Inhalt. Und stelle fest, dass der „Kofferraum“ meines Kajaks ca. 3 cm mit Wasser vollgelaufen war. „Ach du Schreck“, sage ich. „Mein Schlafsack ist total nass.“ Offenbar ist der Deckel meines Kajaks bei so extremen Bedingungen nicht mehr dicht.

Detlef hilft mir weiter. „Geh zum Kiosk! Esse eine Bockwurst. Dann lässt du dir eine Chipkarte geben. Mit dieser gehst du zum Wäschetrockner. Lege deinen Schlafsack hinein und du wirst sehen, er wird bald wieder trocken sein.“

Er hatte Recht. Nach 6 Trockengängen ist mein Schlafsack wieder trocken. Und ich kann deshalb diese Nacht im Zelt schlafen, ohne frieren zu müssen, trotzt der vorhergesagten Kälte. Etwas anderes wäre mir auch nicht übriggeblieben. Denn in Priepert war für heute kein Quartier mehr frei.

Hafenmeister Detlef hilft mir weiter

WARNLAGEBERICHT für Mecklenburg-Vorpommern für 7. August 2023

Heute und Dienstag an der See schwere Sturmlage, auch im Binnenland stürmisch. In Vorpommern heute Dauerregen, am Nachmittag nachlassend. Am Dienstag örtlich Gewitter mit Sturmböen.

Entwicklung der WETTER- und WARNLAGE:

Bis Dienstagabend sorgt ein Ostseetief für eine ausgeprägte Sturmlage in Mecklenburg-Vorpommern. Mit einer westlichen Strömung wird kühle und feuchte Luft herangeführt.

ORKAN(UNWETTER)/STURM/WIND:
Heute und Dienstag an der Ostsee schwere Sturmlage, in exponierten Lagen von Fischland/Darß bis nach Rügen teils schwere Sturmböen zwischen 90 und 100 km/h (Bft 10) aus Nordwest, vereinzelt orkanartige Böen um 105 km/h (Bft 11). An den westlichen und östlichen Küstenabschnitten sowie im Binnenland Wind- bis Sturmböen zwischen 60 und 80 km/h (Bft 7-9)! In der Nacht zum Dienstag im Binnenland vorübergehend nachlassender Wind.

kurzer windarmer Abschnitt auf dem Ellbogensee

One Reply to “Stürmischer Westwind sorgt für einen fantastischen Ritt auf dem Kajak”

  1. Hallo Volker,

    Wellenreiten von West nach Ost, von Canow nach Priepert – wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben! Dein Erlebnis mit dem Kajak die Seewellen zu reiten ist außergewöhnlich und alles andere als einfach – und Mut gehört bei diesem Sturmwind auch dazu, da hat die Motorbootfahrerin schon recht. Ich hoffe aber, dass Dir bald wieder auf Deiner Tour nordwärts der Sommer hold ist und Du auch wieder entspanntere Paddeltage genießen kannst. In der Zeitung war zu lesen, dass die Fährverbindungen nach Hiddensee und Rügen am Montag zunächst einmal eingestellt wurden, weil das Meer zu rau und der Wind zu kräftig war – ich wünsche Dir jedenfalls, dass Du ruhiges Wasser hast, wenn Du bald in Inselnähe kommst.

    liebe Grüße und alles Gute Heiner

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