Rüdiger hat mir diese Mail geschrieben:

Lieber Volker,

Du hast ein Wahnsinns-Bravourstück vollbracht! Ganz herzlichen Glückwunsch. Bist du der erste, der diese lange Strecke „über Stock und Stein“ von der oberen Donau bis zur Ostsee schon mal mit dem Kajak gepaddelt ist? Ich habe jedenfalls noch nie davon gehört.  

Das war schon eine mehr als große Herausforderung, die Du Dir vorgenommen hast und Du hast sie gemeistert ohne aufzugeben, z.B. auch nicht nach dem Riss im Kajakboden. Aber vielleicht gab’s noch andere schreckliche Situationen. Ich weiß nicht, ob Du auf Deiner langen Tour überhaupt schon mal den Gedanken “aufgeben, ob immer wieder neuer großer Schwierigkeiten“ gehabt hast oder war dies von Anfang an nie eine Alternative? Jedenfalls bist Du gesund und mit mit heilem „Werkzeug“ an’s Ziel gelangt und das ist schon eine gewaltige Meisterleistung finde ich.

Ich wünsche dir jetzt viel Ruhe und Erholung und viele schöne Tage mit deiner Frau auf der Insel Hiddensee. 

Herzliche Grüße

Rüdiger

Rüdigers Mail habe ich wie folgt beantwortet:

Lieber Rüdiger,

vielen Dank für deine Mail. Ich habe mich sehr darüber gefreut. 

Sandra und ich sind heute Nachmittag zu Hause eingetroffen. Wir sind gestern morgen von Hiddensee aus losgefahren und haben letzte Nacht noch einen Zwischenstopp in Schweinfurt eingelegt.

Ich glaube auch, dass ich der erste bin, der mit dem Kajak von der Oberen Donau nach Hiddensee gepaddelt ist und bei dieser Gelegenheit auch den Frankenwald nicht ausgelassen hat.

Ich hatte auf meiner langen Tour mehrmals den Gedanken “aufzugeben, ob immer wieder neuer großer Schwierigkeiten“ gehabt.

Nun bin ich schon ein paar Tage zu Hause und jetzt ist es an der Zeit die Frage von Rüdiger zu beantworten. In der Tat hatte ich auf meiner langen Tour mehrmals den Gedanken gehabt, „aufzugeben, ob immer wieder neuer großer Schwierigkeiten.“ Und das nicht nur, als ich am Tollensesee den Riss in meinem Kanuheck entdeckt hatte.

Totale Erschöpfung (4. Tag der Tour, 27.05.2023)

In meinem Blogeintrag 01.06.23 hatte ich dieses notiert:

Von Sigmaringen bis Ulm hatten wir zu kämpfen mit den vielen Wehren und dem damit verbundenen Umtragen der Boote. Da der Wasserstand sehr hoch war, ging jetzt manches nicht mehr, was bei unseren bisherigen letztjährigen Bootstouren im Donautal noch gegangen ist z.B. sah man die Bootsrutsche am Wehr in Sigmaringendorf wegen dem hohen Wasserstand nicht einmal mehr, was bedeutete, dass das Wehr aus Sicherheitsgründen mühsam umtragen werden musste. Und durch den Schütz am Wehr von Blochingen (dahinter ist eine Bootsrutsche), kam man auch nicht durch, sonst wäre der Kopf ab gewesen. Also war wiederum mühsames Umtragen angesagt. Das Treideln im Altarm der Donau auf einer Länge von 1,5 km blieb uns dagegen zum Glück aber (wegen dem hohen Wasserstand) erspart.

Dafür schoss, als der Wehrkanal zu Ende war, eine so kräftige Wasserfontäne auf uns zu, dass wir es vorzogen, dieser aus dem Weg zu gehen, um nicht das Risiko einzugehen, dass unsere Boote dadurch umgeworfen werden. Der Kanal floss nämlich am Kraftwerk Jakobstal bei Blochingen nicht wie sonst üblich ganz gemächlich in die Donau, sondern er schoss, komprimiert in einen Rohr, das einen riesigen Durchmesser hatte, mit voller Wucht auf die Donau zu.

Als wir ihn Hundersingen ankamen, war es schon dunkel. Eigentlich wollten wir noch bis Binzwangen weiter paddeln. Das hatten wir aber nicht mehr geschafft. Erstmals hatten wir somit unserer Tagesziel nicht erreicht.

Zu allem Überdruss bin ich in Hundersingen beim Aussteigen aus dem Boot noch ins Wasser gefallen, weil dort die Böschung zu steil war und ich beim Hochklettern ausgerutscht bin. Mein Kajak ist aber nicht umgekippt. Es war im übrigen das einzige Mal auf meiner langen Tour, dass ich unfreiwillig Kontakt mit dem Wasser gehabt habe.

Aufgrund meiner totalen Erschöpfung kam bei mir schon am vierten Tage der Tour, nicht zuletzt auch, weil es mich stark gefröstelt hatte, der Gedanke auf, die Tour zu beenden und aufzugeben, zumal die heutige Etappe für mich überhaupt kein Vergnügen war.

Nachdem ich aber wieder trockene Kleider am Leib hatte und Karle und ich zum Glück noch auf den letzten Drücker in der einzigen Gaststätte im Ort etwas zu essen bekamen (Wurstsalat), ging es mir wieder besser und ich verwischte meinen kurzzeitigen Gedanken. Am anderen Tage sah die Welt ganz anders aus und ich blickte wieder mit mehr Optimismus auf die kommenden Tage und Wochen.

Blitz und Donner über meinem Zelt (55. Tag, 17.07.2023)

Ich übernachtete in Schönebeck an der Elbe auf dem Campingplatz und schrieb Sandra um 21:40 Uhr diese Messenger-Nachricht:

Ich bin in Schönebeck auf dem Zeltplatz. Im Zelt. Es schüttet, es gießt, es gewittert, es donnert, es ist furchtbares Wetter. Das Zelt hält noch.

Auf dem Campingplatz gab es keine Möglichkeit, das Zelt zu verlassen. Es gab keinen Ort, an dem ich vor dem Gewitter sicher war bzw. an dem ich das Gewitter hätte geschützt vorbeiziehen lassen können.

Ich hatte Angst, denn das Gewitter war unmittelbar über mir. Eine Reihe von Pressemeldungen ging mir durch den Kopf. Menschen wurden vom Blitz getroffen, weil sie vor dem Unwetter Zuflucht unter einem Baum gesucht hatten. Zum Glück war kein großer Baum in der Nähe meines Zelts, machte ich mir selber Hoffnung.

Um 21:54 Uhr konnte ich an Sandra diese Nachricht absetzen: “ Es wird besser!“ Das Gewitter zog vorüber. Das Innenzelt hielt. Nur mein Außenzelt, in dem ich meinen Rucksack deponiert hatte, ist nass geworden.

Starkregen, Zuflucht in zugigem Neubau (62. Tag, 24.07.23)

Am 24. Juli wurde ich viermal klatschnass. Ich durchsuchte den ganzen Ort nach einer Überdachung, die mich vor dem Starkregen geschützt hätte. Ich fand aber leider nichts, nicht einmal die Bushaltestelle war überdacht. Schließlich fand ich in einem zugigen Neubau eine offene Tür und warte dort – total durchnässt – drei Stunden lang bis der Regen endlich aufhörte.

Da dachte ich mir: „Was machst du hier? Was soll das denn und warum tust du dir das an? Du könntest deinen Urlaub doch auch auf eine angenehme Art und Weise verbringen.“

Im Tagebucheintrag meines Blogs vom 25.07.2023 hatte ich mir dieses notiert:

Sonntag 23. Juli

Die ganze Nacht über hat es geregnet. Als ich das Zelt in Havelberg zusammen räumte, regnete es wieder.

Gegen 13 Uhr:

Jetzt ist der Wind ganz stark. Ich wollte auf der windgeschützten linken Seite paddeln. Da hat es aber lauter Angler. Dann bin ich nach rechts abgetrieben. Ich will ja keinen Ärger verursachen. Dort hat es 30 cm hohe Wellen. Deshalb bin ich raus aus dem Wasser und warte bis der Wind nachlässt.

Als der Wind nachließ, ging es weiter, geregnet hat es zum Glück nicht mehr

Montag, 24. Juli

Heute wurde ich 4 mal klatschnass. Zum Glück schien nach dem heftigen Regenguss immer gleich wieder die Sonne, so dass ich wieder trocken wurde. Aber das Trocknen der Kleider dauerte viel zu lange. Ich schaffte an diesem Tage nur 16 km.

Dienstag, 25. Juli

Ich habe mir vorgenommen nicht mehr den gleichen Fehler wie gestern zu machen. Gestern hatte ich mein Boot panikartig verlassen, als der Regen einsetzte. Heute will ich das ändern. Ich habe eine Spritzdecke und deshalb werden meine Beine, mein Gesäß und meine Hüfte nicht nass. Und für meinen Oberkörper und den Kopf habe ich eine gute Regenjacke. Deshalb werde ich vor dem Regen nicht mehr das Boot verlassen und einfach sitzenbleiben und weiterpaddeln.

Meine Spritzdecke war nun leider noch auch defekt. Sie war ganz löchrig. Auch bei dem kleinsten Regen drang „von oben“ Wasser in mein Kajak ein.

Zum Glück kam Albi in ein paar Tagen und brachte mir in Neu Kaliß (bei Dömitz) eine neue, nun komplett wasserdichte Spritzdecke mit. Ich wusste also, es kann nur noch besser werden.

Dieses Wissen motivierte mich weiterzumachen und nicht aufzugeben.

Einheimische warnten mich vor Todesfällen von Kanuten auf den Bodengewässern (90. Tag der Tour, 20. August 2023)

An der Trebel, am Wasserrastplatz Bassendorf südlich von Tribsees warnten mich Einheimische vor einer Überfahrt der Boddengewässer von West nach Ost (Ribnitz-Damgarten bis Barhöft). Sie begründeten ihre Warnung damit, dass es dort schon einige Todesfälle gegeben habe, weil die Kanuten nicht beachtet hätten, dass die Wellen auf den Bodengewässern kurz hintereinander kommen würden und sich nicht so hoch entwickeln könnten wie auf der Ostsee.

Dadurch komme es häufiger vor, dass das Kajak instabil werde und kippe. Dieses Verhalten trete vor allem dann auf, wenn sich die Windstärke kurzfristig ändere und sich die Wellen dadurch erhöhen würden.

War es das nun mit meiner Reise? Sollte ich die Warnungen in den Wind schlagen, wäre ich töricht gewesen. Ein solches Verhalten wäre ja geradezu verrückt gewesen. Ich wollte ja keinen Husarenritt auf meinem Kajak machen.

Vielmehr wollte ich heil auf Hiddensee ankommen. Sollte ich mein Kajak in Ribnitz-Damgarten stehen lassen, bevor ich in die Boddengewässer einfahre? Und stattdessen lieber mit der Berufsschifffahrt diese Gewässer durchkreuzen, aber auch mit dieser die Überfahrt nach Hiddensee wagen?

Dies war in der Tat meine letzte große Herausforderung auf meiner langen Wasserreise. Auf diesen großen Seenflächen sind Wind und Wellen keinesfalls zu unterschätzen.

Es ist vielmehr immer besser mit dem Kajak unter Land zu fahren oder anders ausgedrückt, das Boot so nah wie möglich an der Küste zu bewegen.

Ein großer Teil der Boddengewässers ist allerdings Naturschutzgebiet und da darf niemand rein, auch nicht mit dem Kajak. Sonst droht eine Geldbuße von über 300 Euro.

An vielen Uferabschnitten ist deshalb paddeln verboten. Der Paddler muss aus diesem Grunde die Seite wechseln, d.h. quer über das Boddengewässer fahren, damit er auf der angenehmeren Uferseite unter Land paddeln kann.

Wenn man allerdings zu nah an das Ufer kommt, könnte man vielleicht auf Grund laufen, weil die Gewässer hier nicht sehr tief sind…….

Deshalb holte ich detaillierte Informationen von ortskundigen „Seefahrern“ ein und nahm mir hierfür sehr, sehr viel Zeit. So viel Zeit, bis ich schließlich meine optimale Route durch die Boddengewässer gefunden hatte.

Und hatte das Glück des Paddlern auf meiner Seite: auf den Boddengewässern gab es durch die habhaften Regengüsse Mitte August Hochwasser, so dass ich immer dicht am Ufer und damit „unter Land“ bleiben und Saaler, Grabower und Barther Bodden gut durchpaddeln konnte, ohne unmittelbar am Ufer wegen zu seichtem Wasser zu stranden.

Ich wusste bzw. ich war nun überzeugt davon, dass ich mit den mir vorliegenden umfassenden Informationen meine schwerste Etappe über die Boddengewässer auch noch schaffen werde.

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